In meiner Interview-Reihe „Sieben Fragen zum Schreiben“ lade ich Menschen dazu ein, von ihrem Schreiballtag und ihren Schreibroutinen zu erzählen. Dabei handelt es sich nicht nur um Menschen, die vom Schreiben leben, sondern um Personen mit den unterschiedlichsten Hintergründen und Berufen. Gemeinsam haben sie allerdings alle, dass sie das Schreiben sowohl beruflich als auch privat für sich nutzen und darin weit mehr sehen, als lediglich ein Mittel, um eine Message zu transportieren.
Im allerersten Interview stelle ich die Fragen an… *Trommelwirbel*… mich selbst. Warum das? Zum einen, weil es sich bei allen Fragen um Fragen handelt, die mich selbst schon lange begleiten und beschäftigen. Warum sie also nicht gleich selbst beantworten? Zum anderen hast du so die Möglichkeit, mich und mein Verständnis vom Schreiben noch besser kennenlernen und zu verstehen, was mir beim Schreiben besonders wichtig ist.
Mit meinen Antworten möchte ich dich dazu inspirieren, ins Schreiben zu kommen, es produktiv für dich und dein persönliches Wachstum zu nutzen und eine Schreibroutine zu entwickeln, die genau zu dir und deiner Art zu schreiben passt! Ich hoffe, du hast beim Lesen genauso viel Spaß wie ich beim Schreiben!
Wie bist du zum Schreiben gekommen? Gab es einen Schlüsselmoment?
Einen Schlüsselmoment im eigentlichen Sinn gab es nicht. Schon als Kindergartenkind habe ich Pixibücher mit Bildern und Fantasieschrift gebastelt, in der Grundschule habe ich dann die ersten Kurzgeschichten geschrieben. Nachdem ich mit 16 Jahren „Der Fänger im Roggen“ gelesen habe, fing ich an, auch längere Texte zu schreiben. Ich habe mehrere Romane begonnen, allerdings ist mir irgendwann immer die Puste ausgegangen.
Inzwischen bin ich weitgehend davon abgekommen, fiktionale Texte zu schreiben. Hin und wieder besuche ich zwar Seminare zum kreativen Schreiben, aber da geht es mir eher darum, mal wieder neue Impulse zu bekommen und über den Tellerrand meines eigenen Schreibens zu schauen. Abgesehen davon schreibe ich aktuell ausschließlich faktuale Texte, wobei dem Journaling natürlich eine Sonderstellung zukommt.
Wie hat sich dein Schreiben in den letzten Jahren verändert?
Als Jugendliche ging es mir beim Schreiben darum, mich kreativ auszuprobieren. Einerseits war es ein Hobby, andererseits war es ein Mittel, mit dem ich dem nicht immer einfachen Teenager-Dasein entfliehen konnte. Später – im Studium, in meinen beruflichen Anfängen und während der Promotion – war das Schreiben zwar immer noch eine Möglichkeit, kreativ zu sein. Aber es verlor zunehmend an Leichtigkeit. Schließlich war es an bestimmte Vorgaben und Deadlines gebunden und es schwang auch immer das Wissen mit, dass meine Texte bewertet würden: von Vorgesetzten, von Kunden, von Dozenten, von meinen Dissertations-Betreuern.
Die Leichtigkeit gewann das Schreiben für mich erst wieder, als ich mich selbstständig machte. Natürlich werden meine Texte auch heute noch bewertet. Aber ich suche mir meine Kunden – und damit auch die Themen, über die ich schreibe – frei aus. Zudem bin ich heute deutlich souveräner, was das Schreiben betrifft: Ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Und ich habe gelernt, mit Kritik besser umzugehen. Zudem habe ich meine eigene, klare Schreibstimme gefunden. Das heißt nicht, dass ich die Tonalität nicht meinen jeweiligen KundInnen entsprechend anpassen könnte. Aber es heißt, dass ich weiß, wofür ich stehe – und wie ich das in die richtigen Worte verpacken kann.

Was ist deiner Meinung nach das Wichtigste an einem guten Text?
Ich könnte jetzt die typischen Regeln und Rezepte aufzählen, die du in allen großen Texter-Fibeln und -Handbüchern nachlesen kannst: In klaren Sätzen schreiben und Schachtelsätze vermeiden. Möglichst aktiv schreiben und Substantivierungen umgehen. Den Satzbau variieren, Zwischenüberschriften nutzen und so weiter. Das ist natürlich auch alles richtig. Und wer diese Regeln nicht beachtet, wird sehr wahrscheinlich einen Text verfassen, der eher schlecht als recht zu verstehen ist.
Einen guten Text zeichnet meiner Meinung nach aber noch viel mehr aus. Was einen guten Text wirklich aus der Masse hervorstechen lässt, ist die authentische Stimme, mit der er geschrieben ist. Der oder die Schreibende sollte darin mit ihrem einzigartigen Ich erkennbar sein. Und: Ein Text ist dann gut, wenn er genau die Message transportiert und die Wirkung erzielt, die von der oder dem Schreibenden intendiert war. Ein guter Text bringt bei den LeserInnen etwas zum Schwingen, er klingt nach und bleibt im Kopf – und im Herzen.
Was tust du gegen Schreibhemmungen?
Meine allererste Maßnahme: Vom Schreibtisch aufstehen, einige Male tief durchatmen und etwas anderes tun: einen Tee kochen, Stretching und ja: hin und wieder auch mal kurz bei Instagram, Facebook oder ähnlichen Kanälen vorbeischauen. Wenn diese kurzfristigen Maßnahmen nicht helfen, mache ich eine längere Pause und gehe joggen. Für mich ist das immer noch die allerbeste Möglichkeit, um a) den Kopf freizukriegen und Abstand zu gewinnen und b) ganz ohne Druck auf neue, kreative Lösungen zu kommen.
Was mir außerdem hilft: Mit anderen über meine Blockade zu sprechen. Das müssen keine Berufsschreiber sein und sie müssen sich auch nicht mit dem Thema auskennen, über das ich gerade schreibe (wobei das natürlich zusätzlich helfen kann). Oft reicht es aber schon, die Dinge, die mich gerade blockieren, laut auszusprechen – und schon werden die Hürden kleiner und oft habe ich bald darauf ein Aha-Erlebnis.
Gibt es eine Schreibübung, die du gerne anwendest und die du mit uns teilen möchtest?
Viele! Das ist ja auch einer der wesentlichen Gründe, aus dem ich diesen Blog ins Leben gerufen habe. Eine Schreibübung, die mir aber regelmäßig hilft, die Angst vor dem weißen Blatt (bzw. dem leeren Word-Dokument) gar nicht erst aufkommen zu lassen, ist der sogenannte Brain Dump. In seiner reinen Form beinhaltet der Brain Dump, dass du handschriftlich alles herunterschreibst, was dir gerade in den Sinn kommt. Dabei achtest du nicht auf Stil, Grammatik, Rechtschreibung. Du schreibst einfach drauf los und lässt einfach alles raus – auch alle deine (Selbst-)Zweifel, die du mit dir herumschleppst. Die Idee dahinter: Dein innerer Kritiker kann sich mal so richtig auskotzen – bis er nichts mehr zu sagen hat. Und dann ist Raum in dir für Neues, Positives!
Wenn ich gerade an einem Projekt sitze und ich nicht weiterkomme, nutze ich oft eine etwas abgewandelte Form des Brain Dumps. Dann öffne ich ein neues Dokument auf meinem Computer und haue erstmal ordentlich in die Tasten: Ich schreibe einfach alles runter, was mir zu dem Thema einfällt. Vielleicht sind das ganze Sätze oder Absätze. Vielleicht aber auch nur einzelne Worte oder Satzfetzen. Das Ganze ist noch nicht geordnet, es hat noch keine Struktur. Ich recherchiere auch noch nicht groß während des Schreibens. Das kann ich alles später machen. Erst einmal geht es nur darum, Ideen zu sammeln und zu schauen, welche Ideen zu mir fließen. Und es geht darum, ins Schreiben zu kommen und zu sehen: Da steht schon was im Dokument! Ich habe schon etwas getan! Das Dokument ist nicht mehr leer!
Anschließend mache ich eine kurze Pause. Dann lese ich mir das Geschriebene noch einmal durch, fange an zu sortieren, zu recherchieren, auszubauen und zu verwerfen und auf diese Weise nach und nach eine solide Struktur und einen „richtigen“ Text zu entwickeln.
Übrigens: Eine Sonderform des Brain Dumps sind die Morgenseiten. Meinen Erfahrungsbericht dazu kannst du in diesem Artikel nachlesen.

Wie hat sich dein Leben durch Journaling verändert?
Kurz und knapp: Mein Leben hat sich grundlegend verändert. Durch das Journaling bin ich fokussierter und strukturierter geworden. Mir ist noch klarer geworden, was ich will im Leben. Was mir wirklich wichtig ist. Ich bin ein sehr emotionaler und manchmal auch sehr sprunghafter Mensch: Ich habe immer tausend Ideen im Kopf und oft habe ich das Gefühl, von einer zur nächsten Idee zu hüpfen. Das Journaling gibt mir die Möglichkeit, meine Gedanken, meine Wünsche und Ziele zu ordnen, Struktur in das Chaos in meinem Kopf zu bekommen, zu priorisieren und mir klare Ziele zu setzen.
Gleichzeitig hat es mir dabei geholfen, dankbarer zu sein für das, was ich heute schon habe: Ja, ich habe große Ziele und ja, einiges davon mag noch in der Ferne liegen. Aber das bedeutet nicht, dass ich nicht glücklich im Hier und Jetzt bin. Dass ich nicht dankbar bin, für alles, was ich schon heute in meinem Leben habe. Das Journaling hat meinen Blick hierfür geschärft und mir dabei geholfen, mehr Dankbarkeit und Fülle für mein jetziges Leben zu empfinden.
Welche Tipps hast du für jemanden, der mit dem Journaling beginnen möchte?
Das Wichtigste ist, dass du dir klar bist über dien Warum: Warum möchtest du mit dem Journaling beginnen? Was ist dein Ziel? Was erhoffst du dir von dem Journaling? Wie soll sich dein Leben dadurch verändern? Am besten überlegst du dir ganz konkret, welche Aspekte in deinem Leben du verändern möchtest. Im nächsten Schritt kannst du dir dann Gedanken darüber machen, mit welcher Journaling-Methode du das am besten erreichen kannst. Ich habe zum Beispiel zunächst mit einem Glücks- und Dankbarkeitstagebuch angefangen. Irgendwann habe ich gemerkt, dass mir das nicht mehr reicht und dass ich das Journaling auch dazu nutzen möchte, um meine Ziele und Lebensvisionen klarer zu erkennen – und zu erreichen.
Wichtig ist meiner Meinung nach auch, dass du eine feste Routine etablierst. Wie das geht, habe ich dir in diesem Artikel aufgeschrieben. Das Journaling sollte ein fester Bestandteil in deinem Alltag werden. Gleichzeitig solltest du es nicht als Pflicht ansehen, die du noch abhaken musst – dann verliert das Schreiben ganz schnell seine positive Wirkung. Sei deshalb nicht zu streng mit dir, wenn du es an einem Tag mal doch nicht schaffst, dich hinzusetzen und zu schreiben. Und: Nimm dir am Anfang lieber nur etwas „Kleines“ vor, was du dann tatsächlich durchziehst. Zum Beispiel könntest du damit anfangen, jeden Abend drei Dinge aufzuschreiben, für die du heute dankbar bist. Oder du könntest jeden Morgen eine schriftliche Intention für den Tag formulieren. Wenn du diese kleine Aufgabe in deinen Alltag integriert hast und sie zur Routine geworden ist, kannst du dein Pensum immer noch steigern.
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